#ichbinHannah: prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft - Unterschied zu den NGOs

PrekäreWissenschaft & sozialeUngleichheit - Unterschied NGOs und Wissenschaft

#ichbinHannah #ichbinHannahsCoach von Dr.AntjeSchultheis I as.empowerment

27-29.000 Promovierende beenden jährlich erfolgreich ihre Promotion. Laut Bildungsministerin Karliczek gibt es für die meisten eine „Anschlussverwendung“ – auch wenn sie es nicht zur Lebensprofessur schaffen sollten. Und ja, nur rund 1 Prozent der Promovierten sind laut Arbeitsagentur offiziell arbeitslos (gemeldet). Aber was bringt diese Prozentzahl, die nichts über die rhythmisch wiederkehrenden Existenzsorgen und die Vulnerabilität sagt, wenn Promovierte alle in unregelmäßigen Abständen um ihre wissenschaftliche Anschluss-Verwendung im stop- and go der Wissenschaft kämpfen. An einigen Unis und Hochschulen sind 90% der Mitarbeitenden befristet angestellt. Und darüberhinaus wird ein Teil der Lehre mit freiberuflichen Lehraufträgen abgedeckt, die kaum über den Mindestlohn hinausgehen, wenn man die Vor- und Nachbereitungszeit mitzählt.

In meinen Workhops #Doktorhutwasdann, die ich seit zehn Jahren als Coach und Trainerin @www.as-empowerment.de an #Unis #FHs und für #Promotionsstipendiat:innnen halte, stellt sich vielen die Frage, ob sie sich durch das wissenschaftliche Nadelöhr hin zur Professur kämpfen wollen oder weiter die sportlich-fatalistische Haltung einnehmen sich mit dem #Wissenschaftszeitvertragsgesetz insofern zu arrangieren, die seriellen Befristungen als part of the game zu sehen. Dies bildet eine immense #Resilienz und Leistungsfähigkeit heraus, mögen die einen sagen und die andern (oft auch Familiensystemmitbeteiligten) verfluchen diese Planungsunsicherheit und erniedrigende Situation nach zehn Jahren kostspieliger Ausbildung vom Gutdünken des #Wissenschaftssystems oder sogar einzelner #Wissenschaftsmäzenen abhängig zu sein (hierzu später/im nächsten Beitrag einige Beispiele*).

Die NGO-Szene wiederum könnte sagen, „wo ist das Problem - wir haben auch keine Sicherheit“.

Stimmt, aber zum einen schafft das Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine Art #wissenschaftliches Verfallsdatum in der eigenen #Karriereentwicklung: Und hier liegt der Unterschied zu den Antragsmöglichkeiten der Mitarbeitenden von Nichtregierungsorganisationen, die theoretisch unbegrenzt seriell Projektanträge zu gesellschaftlich relevanten Themen stellen können. Und auch wenn die berufliche Unsicherheit ähnlich ist, pressiert die tickende Uhr der 6 Jahre (zzgl. Ausnahmeverlängerung für weitere Elternzeit oder Drittmittelanträge) nicht und auch der Zwang zur Qualifikation nach oben hin zur Lebensprofessur als eines der wenigen Entfristungsmitteln ist nicht da. Und lediglich 3-4% eines Jahrgangs haben laut Destatis nur die Chance auf eine Professur.

Zum anderen hat Wissenschaft den gesellschaftlichen und staatlichen Auftrag, sichere, qualitativ hochwertige und zuverlässige Bildungsangebote schaffen: Dafür brauchen die Unis sicher bezahlte Dozierende und nicht 6-Monats-#LfBAs, die ergänzt durch ehrenamtliche Privatdozenten – die irgendwann mal habilitiert haben und immer noch auf die Professur warten und seit Ewigkeiten jährlich kostenlos ehrenamtlich dozieren müssen, um ihren Titel nicht zu verlieren, und die wie ein akademisches Wanderarbeitervolk um wissenschaftliche Betätigung und Anerkennung buhlen.

Dies zur Einordnung der Idee der #Agilität und Leistungsstimulanz im #Wissenschaftszeitvertragsgesetz.

Ein gravierenderes Problem aus meiner Coachingpraxis betrifft zudem die soziale Ungleichheit im Post-Doc-Verlauf. Wer kann sich leisten, die #existenziellenSollbruchstellen, die zwischen einem auslaufenden und einem Folgeantrag mit ungewissem Ausgang liegen, wirtschaftlich einigermaßen zu überbrücken? Ab und an springt das ALG1 ein – wenn der Arbeitsvertrag überhaupt mind. 12 Monate gedauert hat. Wenn nicht – und da etliche #Nachwuchswissenschaftler:innen mit Stipendien forschen – bleibt nur ALG2. Oder die berühmte Rücklage, die Promovierende, die als erste in ihrer Familie an ihrer Dissertation arbeiten, oftmals nicht haben. Und hier haben wir einen ökonomischen Aspekt sozialer Ungleichheit, der es den #Promovierenden_in_erster_Generation zusätzlich eine erfolgreiche Laufbahn in der Wissenschaft erschwert.

Hinzu kommt das stark ausgeprägte #habituelleÄhnlichkeitsbedürfnis in der Wissenschaft, das in Berufungskommissionen stark ausgeprägt ist und bei denen sich recht homogenen generationsübergreifenden Akademikerkreise nach außen gern abgrenzen. Diese unsichtbaren Codes und Hürden des wissenschaftlichen Habitus entstehen sicher auch durch den steinigen langen Weg, den viele der erfolgreichen Lebensprofessur-Inhaber:innen gegangen sind – und sich die Durststrecken auch leisten konnten. Eine Prise Solidarität mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs wäre wünschenswert.

*Weitere oder eure Geschichten und Probleme (dann in weiteren Tweets/Blogbeiträgen)

- FH-Doktorand:innen = Promovierende 2.Klasse: Von Schikanen durch Uni-Professor und hohen Auflagen der Universität

- zwischen die Fronten geraten beim Konflikt zwischen den Promotions-Betreuenden

- Abhängigkeit vom Gutdünken des Dissertationsbetreuenden; Konflikte auf den letzten Metern und oder Neubeginn nach 3 Jahren Dissertation

- Versprechen und Hinhalten bzgl. Anschlussfinanzierung/Verträge

- (Un)vereinbarkeit von Familien und Wissenschaft wg zeitlich und räumlicher Unplanbarkeit

Schreibt mir gern Eure Frustmomente oder Probleme während der Promotion oder Post-Doc-Phase: schultheis@as-empowerment.de Beratungsangebote gibts hier: www.as-empowerment.de